Ausstellung: Ritual und Magie

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Objekte  von Benedikt Hipp- zunächst von opaker Magie- wurden im Laufe von Hompe´s Vortrag und Begegnungen mit anderen Betrachterperspektiven zunehmend durchsichtiger. Ihr Leuchten  aber blieb

           Vernissage im Museum Villa Rot

19 Künstler aus 6 Nationen haben der Ausstellungsleiter Marco Hompes und sein Team zu der Ausstellung Magie und Ritual + Benedikt Hipp zusammengestellt. Die Vernissage, bei der kein Stuhl leer blieb und bei der einige Künster anwesend waren, fand im Alten Bau, wo Benedikt Hipp Exponate ausgestellt sind, statt. Der humorvolle Austellungsleiter ging gleich in die Vollen. Magie das bezeichne, mit den Historiker Johannes Dillinger „…jedes System von Vorstellungen und Verhaltensweisen, […] das darauf abzielt, die sichtbare, im Alltag erlebbare Welt mit einem Raum außerhalb dieser Welt in Beziehung zu setzen. Dabei sei Magie im Gegensatz zur Religion nicht institutionalisiert, noch fixen Normen und Regeln unterworfen, viel mehr sei sie ein flexibles Konstrukt, welches sich schnell an die Anforderungen der Gegenwart anpassen könne.Trotzdem gebe es fixierte Systeme magischer Gesetzmäßigkeiten, wie etwa die Astrologie, deren Anfänge auf 4380 vor Christus datiert werden.Ja die ältesten schriftlichen Dokumente menschlicher Kultur seien Zaubersprüche.Was Magie in Zeiten ironischer Zugänge und synkretistischer Sammlungen bedeuten kann, sollte das Projekt „Zauberspruch“ von Johanna Mangold, Jan-Hendrik Pelz und  Haaren des Jonathan Meese verdeutlichen.Die Kunst Benedikt Hipp´s die geprägt ist von der Herstellung von Votivfiguren durch seine Eltern in Pfaffenhofen in Bayern, zeigt- in der Schwebe zwischen abstrakter und figürlicher Kunst- am ehesten, was die Warte und das Können der Kunst zu einem zukünftigen magischen Diskurs beizutragen hätte.

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Der Ausstellungsleiter bespricht das Objekt:Benedikt Hipp(2015):Converted system with lung and spiracle[Atemloch, Anm.DB] ( : offering : ), pneumopathologic studies)

Magie als Kunst der Verwandlung

Am Objekt „Converted system with lung and spiracle“ aus der Serie „pneumopathologic studies“ lassen sich einige Grundelemente und Gesten der magisch mikrokosmischen Tradition beschreiben. Zunächst gibt es zwei Grundelemente: Seele und Geist, oder auch Feuer und Erde(Agrippa von Nettesheim). Die Seele ist ausgezeichnet durch ihre Beatmetheit, was hier durch das sich durch das Artefakt ziehende geschwungene Kupferrohr ausgedrückt wird. Der Geist ist zunächst verborgen und entbirgt sich erst durch die Beziehung der hierarchisch angeordneten Seelen. So ruht das schwarze Atemorgan auf der zweiten Stufe einer Treppe. Die beiden weißen Lungenflügel, von denen nicht klar ist, ob sie schon an das untergeordnete Atemsystem angeschlossen sind, sind auf einem Holzstab angebracht(als einziger organischer Bestandteil, möglicherweise Symbol für die Gründerväter des Christentums), der auf einem einstufigen mit Gold überzogenen Ständer steht. Die Bezeichnung umgewandeltes System lässt doch darauf schließen, dass das System schon aus dem Höheren atmet. Das schwarze anorganisch Atemorgan kann man nun wieder mit der trapezförmigen metallischen Sphäre in Verbindung bringen, die das Atemsystem umgibt(In der Magie gilt die Lehre der Sympathie),wie die Beton-Treppe mit den Lungenflügeln aus Beton. Alles ist mit allem verbunden oder sucht die Bindung zurück, so könnte man auch den Titel der Reihe „pneumopathologic studies“ verstehen, ähnlich wie beim Joga wird versucht sich wieder mit dem ursprünglichen Atem, biblisch dem Atem allen Atems zu verbinden, welcher in der Magia Naturalis Pneuma heißt.Die Wiederbeatmung des im Atemrhythmus gestörten anorganischen Konstrukts kann sowohl als eine unaufdringliche Gegenwartskritik verstanden werden, als auch als ein Altar des hyperorganischen Transhumanismus. Magie beschäftigt sich mit den existentiellen Bedingungen unserer Existenz, so Rompes, seien es Mathilde ter Heijne´s bei einem Vollmondritual von Frauen gebrannte Ritualgegenstände genannt „Experimental Archeology.“ Seien es die Votivfiguren beispielsweise von kranken Pferden, die Hipp´s Eltern herstellen. Oder die Votivfiguren aus Südtirol von Gabriele Oberkofler, die herausstreichen, das es oft eine Notsituation ist, die derartige Anrufungen(votum= Gelübde) auslöst. Das dieses Gesetz nicht nur für die Alternativmedizin gilt belegt die Bibel an vielen stellen. „In meiner Bedrängnis rief ich zum Herrn und er antwortete mir“(Jona 2,3). Es wird immer ein mit der Qualität des erwünschten Zustandes ausgestatteter Gegenstand benutzt um die höhere, heilende Qualität anzurufen. Votiv, meint ja auch mit einem Votum versehen, bestimmt oder verlobt. Die Votivfíguren in Pfaffenhofen, so Vater Hans Hipp, seien auch ein Ausdruck des nicht immer zur Kirchenlehre parallel verlaufenden Volksglaubens gewesen.Auch die “Generation-Kurkuma” mit ihren holistisch-alchimistischen Verschmelzungen vormals institutionalisierter Traditionen hat das Potential einer unsichtbaren Kirche mit eigenen Symbolen, Ritualen und Zielen.

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Hipp´s  Lichtkörper The Individual zeigte in seinem Aufleuchten und Verglimmen auf leblosem Beton wie andere seiner Arbeiten die Magie des  Lichtes der pneumopathologischen Studien

Seelenflugzeug oder Humbug?

Im Hoenes-Saal, der Schloss mit Neubau verbindet, findet man wichtige Info-Tafeln zur Entwicklung der Magie von der Antike bis zur Renaissance und den heutigen eklektizistischen Esoterikkult. Dort steht unter anderem „Die antiken Denker verflochten Mikro- und Makrokosmos zu einer Einheit, bei der alle Teile, wie die Glieder einer Kette miteinander verbunden sind Als Hompes verdeutlicht  “Heute kann ich morgens Joga machen, Mittags Qi Gong und zum Abend-ausklang ein schamanisches Ritual…”, denke ich an die Vision von Marx morgens zu fischen und mittags Viehzucht zu treiben, ohne je Fischer oder Bauer zu sein. Die Idee des Animismus, der All-Beseeltheit zeigt auch Hipp´s Treatment of 15-18 grams aus der gleichen Serie. Hier sieht man auf einem Gestell von drei Beinen, wie einem alchimistischen Kessel einen körperförmigen, geöffneten Gegenstand. An dessen Hinterseite aus Lehm, Gras und Ästen man erst sieht, dass es ein Nest ist. Darin zieht jemand ein Rotkehlchen durch Wachs wie eine Votivfigur, wenn auch etwas anders, sonst wäre es ja keine Kunst. Die Votivfigur, die mit der Kraft ihres ursprünglichen Habitats versehen wurde(auch bei Zauberritualen ist der begrenzende Kreidekreis konstitutiv) und mit wertvollem Material versiegelt, wird hier mit den Mitteln der Kunst in Frage gestellt. Die 15-18 Gramm spielen auf den Versuch des US-Arztes Duncan Mac Dougall an, der den Gewichtsverlust eines Körpers nach dem Tod mit dem Gewicht der Seele in Verbindung brachte.

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Benedikt Hipp(2015): Treatment of 15-18 grams(pneumopathologic studies)

Die Welt als Kettenreaktion verursacht durch die Unsichtbare Hand Gottes

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Links: Nikolai Nekh(2015): Invisible Hand, Rechts: Eine Frau mit einem Apfel

Der Raum von Nikolai Nekh, dem russisch stämmigen Wahlportugiesen, ging nun aufs Ganze. Die linke Wand ein Bild des unermesslichen Weltraumes, rechts unten ein Wasserhahn unter ihm ein schwarz glitzernder Fleck auf dem Boden. Wieder eine Analogie und eine Verwandlung. Auch der zweite Teil der Installation ein Versuch des Menschen das Unbekannte gänzlich zu begreifen. Ein Kupferstich der Gesamtschau der Lehre des Rosenkreuzers Robert Fludd(1617) von dem Basler Matthäus Merian dem Älteren. Die an die Sphären des Himmels und der Hölle von Dante Alighieri erinnernde Tafel zeigt in den äußersten Ringen die Cherubim, Seraphim und Erzengel. Die Verbindung zu Nekh´s Wand ist durch die Unsichtbare Hand Gottes gegeben, die aus einer Wolke in deren Zentrum NIN(er Selbst), in hebräischen Lettern geschrieben steht(ein Hinweis auf die Kabbala) heraus, die Kreise des Kosmos ins Werk setzt.Die nackte Jungfrau, die durch ihre Brüste via Sonnen- und Mondenergie(Feuer und Erde) die Menschenwelt einsetzt ist ein Hinweis auf die alchymische Tradition.(Jungfrau Alchymia) Durch die Natur ist der Mensch mit dem Makrokosmos verbunden. Und so ist er im alchymischen Weltraum dazu befähigt sich selbst durch die Veredelung seiner Elemente mehr und mehr zu seinem göttlichen Ursprung zurück zu bringen. In dieser fundamentalen polaren Begegnung zwischen Mikro- und Makrokosmos besteht eine neue Magie, die Magie der Anziehung des Sterblichen vom Unsterbliche und vice versa, die schon der dunkle Philosoph Heraklit in Fragmenten formulierte. Die Kuratorin des Werkes buchstabiert es in die Gegenwart transferiert so aus: „Im Zentrum jedes technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts steht das menschliche Verlangen nach Nähe und Verständnis. Je größer die Distanz zwischen Mensch und seinem Subjekt, desto stärker ist der Wunsch es zu fassen.“ Ob die Formulierung „zwischen Mensch und seinem Subjekt“, wo man doch traditionell den Menschen selbst als Subjekt zu setzen gewohnt ist, gewollt ist, bleibt im „alterkosmischen“ Raume in Bewegung.

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Matthäus Merian der Ältere(1617): Integra Natura speculum Artisque imago

Ein ironischer Zugang zur Entstehungsgeschichte eines modernen Zaubertranks

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Eine der 24 eingehenden Begründungen der Zutaten: “Das Bild des Künstlers, der in Melancholie schwelgt und aus dieser jenen
Genius zieht, aus dem heraus das heilig gesprochene Kunstwerk geschaf-
fen wird, ist überholt. Um den neuen Ansprüchen gerecht zu werden, sollte,
wie in der Gegenwart gemeinhin üblich und im Zeitgeist verankert, vorsorg-
lich ein Antidepressivum Verwendung finden.”

Einen weißen Kreis ziehen sieht man  die Künstlerin Johanna Mangold auf einem der sechs Bildschirme, welche die 24 Zaubertrankzutaten und ihre Herstellungsweisen dokumentieren.Magie hat anders wie die Kunst ein persönliches oder religiöses Ziel. Der Zaubertrank soll augenzwinkend, die beiden Künstler zu den berühmtesten Künstern auf der Welt machen.Ein Feuersalamander, der eigenhändig in einer Schale verbrannt wird, soll ebenso wie eine Adlerfeder und ein in einem Wasserfall gereinigter Walfischzahn zur Potenz der Künstler beitragen. Ebenso zerstößeln sie aber auch eine Packung Antidepressivum, von dem es heutzutage wohl auch ein Prischen braucht zum Erfolg. Trotz ihrer Kunst- und Marktgesellschaft kritisierenden Spitzen haben sie gut recherchiert und vollen performanten Einsatz bewiesen, belegt durch Videos und einer dicken Dokumentation des Projektes.Ein Granatapfel kommt auch in den “Wunder-Topf”, der steht bei Christen für den Segen Gottes, moralische Integrität und Großmut. Unter diesen Vorzeichen ist den beiden zugerüstet mit Graberde von Grabe Paul Klees und Haaren des Jonathan Meese die gewünschte Wirksamkeit des Trunkes gerne zu gönnen. Magie vermag es Dinge mit guten Gedanken und großen kosmischen Verbindungen aufzuladen und somit kraftvolle ästhetisch ausdrucksstarke Assemblagen zu bilden. So entstehen in künstlerisch entkrampfter Art zum Beispiel unter Einfluss des minimalistischen Zen die “Jejunum Teapots” von Maria Volokhova, ein bisschen Darm, ein bisschen Reinigung, ein bisschen Krone. Zu dieser lehrreichen und berührenden Austellung wäre noch einiges zu sagen, dass Wichtigste aber in Kürze: HINGEHEN.

Die Ausstellung Magie und Ritual läuft noch bis zum 10.02.2019

Links:

Näheres zu den Künstlern:

https://www.villa-rot.de/de/Magie/

Dokumentation zum Zaubertrank:

http://www.jan-pelz.de/pdf-galerie/0021Magic%20Potion.pdf

Zum Kupferstich zu Robert Fludd:

https://starsandstones.wordpress.com/mansions-of-the-moon/integra-naturae-speculum-artisque-imago/

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Maria Volokhova:Jejunum Teapots heißen nach dem Leerdarm, als Kannen für die Teezeremonie und als von Bianca Patricia Isensee fotografierte Kopfbedeckungen, spielen sie sowohl auf die Reiningung als auch auf das hermetische Prinzip wie unten so oben an.
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Roger Aupperle´s Lumenophoren[Lichtträger] am Heuberg(2013) sind Kunstfiguren, die unsere Phantasie magisch in Richtung Zukunft zu beflügeln vermögen. Auch das der Name “Lucifer”(Lichtträger) bedeutet verweist laut Aupperle auf seine ursprüngliche Mittlerfunktion in höheren Sphären.

Author: farounfirewater

Ich bin der Falke im Sturm der den König sucht. "Ich lebe mein Leben in sich weitenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn, Den letzten, ich weiß nicht ob ich ihn Vollbringe, aber versuchen will ich ihn Ich kreise um Gott um den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang und ich weiß nicht, bin ich eine Falke, ein Sturm, oder ein großer Gesang" (Rilke)

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